Ein Gespräch mit einer Fünfjährigen über die Flüchtlingssituation
Ihr Lieben,
seit einigen Monaten merke ich einen Wandel in Deutschland, der mir Angst macht. Der mich schockiert. Mich traurig macht und für mich absolut unverständlich ist.
Erst heute wurde ich wieder durch einen Beitrag von Tollabea auf die Thematik „Flüchtlinge in Deutschland“ aufmerksam. Und ganz ehrlich: Wenn ich einige Beiträge darunter lese, wird mir ganz anders. Ich habe dieses Wort noch nie verwendet – aber in diesem Fall passt es einfach: Ich kann mich für diese Menschen nur fremdschämen!
Woher kommt dieser Hass? Was für Ängste stecken in diesen Menschen? Was sind das für Gedanken? Wo soll uns das mal alles hinführen?
Erst vor wenigen Tagen hatte ich mit Leonie ein Gespräch über dieses Thema.
Wir waren gerade im Kinderzimmer, hatten es uns auf einer Decke gemütlich gemacht und schmökerten in einem Sachbuch von „Frag doch mal die Maus“ – Thema: „Indianer“.
Sie liebt diese Wissensbücher und ich kann euch nicht sagen, wie oft wir jedes Einzelne davon nun mittlerweile schon gelesen haben.
Jedenfalls gab es diese eine Doppelseite, in der wir erfahren, dass die Weißen den Indianern ihr Land weggenommen haben und sie vertrieben haben (pfui, da schäme ich mich gleich noch einmal um Vergangenes). Nicht, weil sie das Land unbedingt brauchten oder es so wenig Platz gab, nein – einfach, weil sie es haben wollten und konnten.
Die Flüchtlinge mussten viele Kilometer zurücklegen, um in Reservationen unterzukommen. Die Indianer, welche sich wehrten, wurden ermordet. Selbst von den Flüchtlingen und denjenigen, die zum Umzug gezwungen wurden, schafften es nicht alle in die Reservationen, da der Weg weit und mühsam war und es nicht genügend Verpflegung für alle gab.
Das Land in den Reservationen war schlecht und es gab wenig zu Jagen. Den Indianern wurde alles genommen – in dem Land, was ihre Heimat ist / war.
Wie grausam war der Mensch schon immer? Ganz besonders die, denen es an sich gut geht? Was macht Macht mit einem? Wozu verführt einem Geld und Ansehen?
Ich fragte Leonie nach dieser Seite wie sie diese Situation denn findet. Folgendes Gespräch entstand.
Mama: „Wie findet du das denn, dass den Indianern ihr Land weggenommen wurde?“
Leonie: „Nicht gut.“
Mama: „Warum?“
Leonie: „Es ist doch ihr Land und es gab doch genügend Platz. Es hätten doch alle dort leben können.“
Mama: „Ja, da hast du recht.“
Nach einer kleinen Pause.
Mama: „Weißt du, zu uns nach Deutschland kommen auch gerade einige Flüchtlinge. Weil es ihnen in ihrem Land nicht gut geht, weil dort Krieg ist oder sie nichts haben, um Leben zu können. Findest du es gut, wenn sie hier bei uns wohnen können?“
Leonie: Schaut sich um. „Hier?“
Mama: Schmunzelt. „Nein, bei uns im Land. Wir bauen extra Häuser für sie und dort können sie wohnen. Findest du das gut, dass wir das für diese Menschen machen?“
Leonie: Ihre Augen werden groß. „Wir bauen die?“
Mama: „Nein, Deutschland. Das ganze Land. Da gibt es Menschen, die können sehr gut Häuser bauen und Deutschland hat ein Sparschwein und nimmt davon das Geld, um diese Häuser für Flüchtlinge zu bauen, damit sie bei uns leben können. Wie findest du das?“
Leonie: Lächelt. „Gut!“
Mama: „Warum?“
Leonie: „Wir haben doch viel Platz. Da hinten auf der Wiese ist noch etwas frei, da könnten wir ein Haus hinbauen. Und dann haben sie ein neues Zuhause.“
Einer dieser Momente, wo ich sie nur wortlos umarmen kann, ihr einen Kuss auf die Stirn gebe und mir vor Stolz Tränen in den Augen stehen.
Mein Gedanke nach dieser Unterhaltung war nur: „Die Welt wäre so viel besser, wenn Kinder sie regieren würde 😉 Kinder an die Macht!“
Einige Menschen argumentieren ja immer damit: „Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg“. Passend dazu habe ich vor einiger Zeit eine Aussage gefunden, welche ich sinngemäß wiedergeben werde, da sie meiner Meinung nach den Kern trifft: „Wenn jemand ohne Sprachkenntnisse, Geld und Kontakte dir den Job wegnimmt, solltest DU eventuell etwas ändern.“
Ganz ehrlich. Mir kommt es vor, als ob sich einige Menschen nicht informieren. Wusstet ihr, dass Asylsuchende und geduldete Ausländer frühestens nach 3 Monaten bei uns in Deutschland arbeiten dürfen? Das es aber selbst nach dieser Frist nicht leicht für sie ist, da immer erst geprüft werden muss, ob sich kein geeigneter Deutscher oder EU-Bürger findet?
Wer sich zu der Thematik etwas belesen möchtet, findet hier eine Menge Fragen mit Antworten.
Ich wünsche mir mehr Fremdenfreundlichkeit, anstatt Fremdenhass!
Wie fühlt es sich wohl an, wenn man gerade aus einer Situation geflüchtet ist, weg aus seiner Heimat, dem Land/Ort in dem man aufgewachsen ist, was man liebt und welches einem vertraut ist? Man lässt Menschen zurückt, die einem am Herzen liegen. Man flieht. Man hat Angst. Viel Angst. Man weiß nicht, was auf einem zukommt und was einen erwartet.
Und dann kommt diese Welle von Hass. Häuser werden angesteckt. Es wird gepöbelt und beschimpft. Man ist nicht gewollt. Nicht Willkommen.
Ich hoffe einfach, dass niemand von uns jemals in diese Situationen gerät, wie diese Menschen!
Ich möchte zudem noch anmerken. Bitte schaut doch auch immer auf eure Wurzeln. Wie erging es euren Großeltern?
Mein Opa zum Beispiel musste ebenfalls flüchten und bei seinen Berichten, welchen ich voller Spannung lausche, läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Man merkt ihm an: Diese Zeit hat starke Spuren hinterlassen.
Weggerissen von der Familie. In der Fremde aufwachsen, bei eigentlich fremden Personen. Leben und arbeiten. Einfach funktionieren um zu leben – zu überleben.
Wo wäre ich also ohne meinen Opa? Wäre ich überhaupt?
Ich bin im dankbar, diesem starken Mann und meiner starken Oma, die in einer so anderen Welt als ich aufgewachsen sind. Die so viel erlitten haben, durchlebt haben.
Die für uns die Steine für eine bessere Zukunft gelegt haben.
Ich finde, dies sollten wir auch tun. Reicht einander die Hände. Lasst uns Steine legen für eine bessere Zukunft für so viele Menschen. Eine gemeinsame Zukunft! Eine glückliche Zukunft ohne Neid, Hass und Angst!
Ich wünsche es mir so sehr ♥
Eure Jenny
5 Kommentare
Ein toller Beitrag! Ich verstehe den Fremdenhass auch nicht. Ich habe selbst eine Zeit ehrenamtlich im Asylbewerberheim gearbeitet. Die Leute haben kaum was! Die Container, in denen viele leben, sind alles andere als schön. Sie sind im Winter kalt, im Sommer super heiß, es ist hellhörig und nicht selten verirren sich Ratten etc. hinein. Die Menschen haben grausame Sachen erlebt und es regt mich auf, wenn es dann hier Leute gibt, die meinen sich aufzuregen oder gar etwas Schlimmes tun, um diese anderen Menschen loszuwerden…Ich verstehe es einfach nicht! Und diese „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber sie sollen wenigstens unsere Sprache lernen!“ Die meisten wollen die Sprache lernen – viele dürfen aber nicht! Wir haben ehrenamtlich einigen versucht etwas beizubringen, weil sie keinen Kurs besuchen dürfen… Mal abgesehen davon, dass die Deutschen, die sich auf Mallorca oder sonst wo ein Haus gebaut haben, ganz sicherlich auch nicht groß Spanisch sprechen oder? Sind da nicht oft die Deutschen auch unter sich?
[…] Diesen Post habe ich durch Zufall auf Facebook gefunden und fand ihn einfach wundervoll. Vielleicht regt er ja auch die ein oder anderen zum nachdenken an. Die Mama kann wirklich super stolz darauf sein, so eine kluge Tochter zu haben =) Hier gelangt ihr zum Blogpost. […]
[…] […]
Ach Jenny, dein Beitrag ist eigentlich schon wieder viel zu nett geschrieben 😀 (Vor allem das aus dem Englischen übersetzte Zitat 😉 )
Ich finde es gut, dass du das ansprichst, mir kommt es meist auch fast hoch, wenn ich die dummen Kommentare dazu auf facebook oder sonstwo lese. Da bin ich froh, dass meine eigene Erziehung um einiges offener war und vor allem, neben Mitgefühl und der Offenheit, eine gesunde Portion von logischem Denken mit gegeben hat.
Allerdings waren mir die 3 Monate neu und nach einer kurzen Google-Suche siehe da: das ist erst seit November 2014 so. Davor war das direkte Verbot zu arbeiten noch sehr viel länger. Da hat sich ja wenigstens etwas kleines getan, auch wenn die Situation weiterhin nicht alles andere als optimal ist.
Es gibt aber ab und an auch mal eine gute Geschichte, auch wenn es zwischen all dem Rassismus der Dummen in Deutschland (und nein, das sind leider nicht alles nur rechte Spinner) untergeht. Die Zeit hat dafür ein nettes Feature geschrieben, auch wenn nur 2 der 6 Stories aus Deutschland sind, lohnt sich das lesen 😉
http://interactive.zeit.de/feature/so-koennte-es-auch-gehen.html
Viel Spaß beim lesen 😉
Grüße
[…] tun will * Jeder macht, was er am Besten kann * Und was, wenn es dich treffen würde * Ein Gespräch mit einer fünfjähren über die Flüchtlingssituation * […]