„Der starke Papa“ – ich habe dich so oft in meinem Leben vermisst
Hallo ihr Lieben!
Heute Nachmittag waren wir im Garten aktiv. Denn obwohl das Wetter hier derzeit ziemlich kalt, grau und regnerisch ist, fühlt es sich manchmal deutlich mehr danach an, dass der Frühling naht. Winter und Schnee? Wäre schön, aber langsam schwindet meine Hoffnung diesbezüglich.
Mit unserem Hauskauf sind wir nun nicht nur Hausbesitzer sondern auch Gartenbesitzer geworden!
Das eröffnet uns ganz neue Möglichkeiten und lässt Visionen in unsere Köpfe. Welche Pflanzen wollen wir behalten? Was fehlt uns, damit unser Garten für uns unsere Wohlfühloase wird? Was darf bleiben – und was kommt weg?
Wir sind am planen, überlegen, träumen… und sind uns dennoch im klaren: All unsere Ideen werden Jahre in Anspruch nehmen und einige davon werden sich wohl nie erfüllen.
So ist das eben beim Großprojekt „eigenes Haus“ 🙂
Nicht nur innen wird alles umgestaltet, auch außen geht es richtig zur Sache!
Bei der Gartenarbeit hänge ich gerne meinen Gedanken nach. Und Leonie und Ella sind auch immer Feuer und Flamme und wollen helfen, wo es geht.
Heute haben sie zum Beispiel sehr gerne die Terrasse gefegt und mir geholfen, die Herbstblätter in den Beeten zu beseitigen.
Während wir so die große Schubkarre füllten und der Blätterberg darin wuchs und wuchs, ging Ella irgendwann auf die Suche. Kein einziges Blatt würde mehr auf diesem Haufen Platz finden. Es ist Zeit zum Entleeren!
„Der starke Papa kann uns helfen! Wo ist denn der starke Papa?“
So lief sie durch den Garten uns suchte ihren starken Papa. Ja, Papa ist stark, ging es mir durch den Kopf und viele weitere Gedanken folgten.
Ich muss ja sagen, als sie so durch den Garten stiefelte und im Singsang immer etwas von ihrem „starken Papa“ erzählte und Leonie irgendwann mit einfiel, wurde es mir richtig warm ums Herz.
Ja, meine beiden Mädchen hatten es schon echt gut. Christian ist ein wundervoller Papa – meiner Meinung nach der beste überhaupt. Leonie und Ella stimmen mir diesbezüglich zu – also muss ja was dran sein 😉
Nein, Spaß beiseite. Mir führte dieser Moment vor Augen, dass beide Mädchen genau das haben, wie ich es mir immer gewünscht habe.
Da ist dieser starke Mann – und damit meine ich gar nicht die körperliche Stärke. Die Sache mit der Schubkarre hätte ich auch alleine irgendwie gemeistert bekommen und ich denke mir, das wissen Leonie und Ella auch.
Aber er ist auch charakterlich ein starker Mensch, der mich immer unterstützt. Sei es im Haushalt, moralisch oder eben wenn doch mal die Kraft benötigt wird. Er ist unser Fels. Die starke Schulter zum Anlehnen, wenn man sie braucht. Die helfende Hand, wenn Not besteht. Der Beschützer, wenn Gefahr droht. Der Quatschkopf, wenn zu viel Energie in den kleinen Körpern steckt. Der Kuschelbär, wenn Geborgenheit und Wärme benötigt werden. Der Zuspruch, wenn man gerade nicht selbst genügend Mut hat. Der Träumer, mit dem man zu gerne in die Sterne schaut und sich die verschiedensten Welten erschafft.
Ja, den starken Papa – den habe ich jede Sekunde in meiner Kindheit vermisst.
Blicke ich viele Jahre zurück, sehe ich diesbezüglich nichts. Vielleicht ein Umstand, weshalb ich das, was ich jetzt habe, was Leonie und Ella haben, umso mehr zu schätzen weiß und es mich oftmals sehr tief innerlich trifft. Dann hängen mir solche Worte wie „starker Papa“ nach. Und es überrollt mich Stolz und Glück, dass die beiden mit dieser Erfahrung groß werden. Einer Erfahrung, einem Leben, was ich nie hatte. Was ich mir doch aber so oft gewünscht habe. Oftmals heimlich.
Ich hatte keinen Papa in meiner Kindheit. Er ging, als ich 3 Jahre jung war. Er ging und ließ mich, meinen Bruder und meine Mutter zurück. Und in mir dies Lücke. Eine schmerzhafte Lücke.
Sie wurde zu einem Teil von mir. Für keinen sichtbar und oft von mir gut verborgen. Aber sie war da.
Eine schmerzhafte Geschichte ist zum Beispiel dieses Foto für mich. Hier bin ich verkleidet als „Baby“ im Kindergarten. Für Außenstehende nicht wirklich erkennbar, aber zu diesem trug ich ein Shirt auf dem stand: „Papas Liebling“. In diesem Jahr verließ uns ironischerweise mein Papa. So erzählte es mir meine Mama immer, wenn wir die alten Fotos anschauten und bei diesem hängen blieben.
Hin und wieder beneidete ich damals meine beste Freundin um ihre Familie. Mama, Papa, Geschwister. Alle glücklich vereint. Ich war so gerne bei ihr zu Besuch. Das war einfach so schön. Ich hätte all das auch so gerne gehabt.
Für sie Normalität, für mich ein Traum.
Meine Mama ließ es uns an nichts fehlen und ich weiß, wie oft sie zu kämpfen hatte in den Jahren. Unglücklicherweise hatte sie auch einfach kein glückliches Händchen für Männer. Es gab keinen neuen Papa. Niemand konnte diese Stelle einnehmen. Ich wollte es auch nicht. Ich wusste ja, irgendwo da draußen war er. Und aus irgendwelchen Gründen wollte er mich nicht.
Schmerz.
Jahrelang war ich deswegen innerlich traurig – oftmals gar nicht bewusst. Aber es gab da diese Momente – und diese schmerzende Lücke in mir.
Und ja, ich weinte auch hin und wieder viele Tränen – deinetwegen, lieber Papa. In meiner Kindheit nicht so oft, in meiner Jugend dafür umso mehr. Aus Sehnsucht. Aber natürlich immer still und heimlich. Denn es war mein Schmerz. Mein Geheimnis. Besonders meine Mutter sollte nichts davon wissen, denn sie gab alles für uns! Eine alleinerziehende Löwin!
Als du sagtest, dass du arbeiten musst, als meine Mutter dich gebraucht hätte – für uns – da sie ins Krankenhaus musste, brach für mich damals als Kind eine Welt zusammen. Die Arbeit ging vor. War wichtiger als wir. Deine Kinder. Dieses Telefonat ging mir nie aus dem Kopf.
Zum Glück waren meine Oma und mein Opa immer da.
Aus dieser Traurigkeit und all dem Schmerz wurde irgendwann Wut. Viel Wut. Und wir beide wissen, es gab viele Auseinandersetzungen, die nicht schön waren. Nur via Anwalt natürlich.
Einmal lernte ich dich dann persönlich kennen.
Jahre später. Eigentlich tat ich es nur aus Liebe zu meinem Bruder, der Kontakt mit dir aufgenommen hatte.
Doch beim kurzen Treffen in meiner ersten Wohnung schwärmtest du von deinen Reisen. Reisen, die wir nie hatten. Reisen, die wir uns nicht leisten konnten. Die nicht möglich waren. Das war kein guter Start für uns.
Mein Urlaub war die Ostsee – und ja, die liebe ich sehr, aber wie gerne wäre ich auch öfter verreist und hätte mehr von der Welt gesehen.
Noch einmal viele, viele Jahre später. Vor 3 Jahren – wieder war mein Bruder irgendwie Schuld daran 😉 – gab es einen erneuten Anlauf. Ich wollte dir noch eine Chance geben. Immerhin warst du mittlerweile schon dreifacher Opa. Wusstest du das überhaupt? Nein, ich glaube mein Bruder teilte es dir erst mit.
Jedenfalls änderte ich meinen Blickwinkel. Denn:
Du bist nicht nur mein Papa – du bist auch ihr Opa.
Eigentlich habe ich dich seit meiner Kindheit nur „meinen Erzeuger“ genannt und reagierte regelrecht allergisch, wenn jemand von „meinem Vater“ redete. Denn zum Papa sein, da fehlte dir doch einiges.
Aber vielleicht könntest du ja ein guter Opa sein, wenn das mit dem Papasein schon nicht so wirklich geklappt hat?
Ich habe mir dies ein paar Monate durch den Kopf gehen lassen, ob ich das möchte. Den Kontakt. Ein erneutes Gespräch.
Aber andererseits drehte sich in meinem Kopf auch alles um meine Kinder. Möchte ich meinen Kindern diesen Menschen, der für sie vielleicht ein guter Opa sein könnte, vorenthalten?
Außerdem: Eigentlich bin ich kein nachtragender Mensch. Und ich hatte es satt, diese Wut in mir herumzutragen.
Und waren viele der Sachen nicht eher zwischen euch „Erwachsene“ gelaufen. Wäre es nicht sinnvoll, sich mal richtig auszusprechen? Und zwar über alles was war? Und auch deinen Blickwinkel der Geschichte und deine Beweggründe anzuhören?
Ende 2014 gab es also unser erstes richtiges Gespräch, ein Telefonat, in dem einfach alles mal auf den Tisch kam.
Ich lief zitternd dabei im Wohnzimmer auf und ab. Wie eine Tigerin. Nach außen hin wirkte ich vielleicht stark, aber innerlich war ich das kleine Mädechen, welches eigentlich nur seinen Papa in seinem Leben haben wollte.
Ich wollte einfach mal diese Fragen aus meinem Kopf haben. Warum wolltest du mich nicht? Warum bist du gegangen? Warum gab es so viele Steine von dir in meinem Leben? Und ich wollte dir verraten, wer ich bin. Wie deine Enkel sind. Was aus mir geworden ist.
Es war ein sehr langes Gespräch. Und ein sehr ehrliches dazu. Du hast mir deine Sicht geschildert, deine Beweggründe des Gehens und des sich nicht Meldens. In einer gewissen Weise nachvollziehbare Gründe – aber wie wir beide beim Gespräch merkte, es war schlichtweg nicht die richtige Entscheidung. Auch all die Dinge, die Steine aus meiner Jugend – du meintest „das wusste ich nicht!“… konntest du ja auch leider nicht. Ohne Kontakt.
Du bereust all das. Ich weiß es. Und das merkte ich auch damals schon tief in mir.
Bittersweet – so könnte man diesen Moment wohl am besten ausdrücken.
Denn immerhin merkten wir beide, nur ein Gespräch hätte gereicht, ein so ehrliches Gespräch, um all die Missverständnisse, die Wut und Traurigkeit verfliegen zu lassen. Der Kontakt hätte bleiben müssen – und sei es nur durch Briefe und Anrufe hin und wieder. Aber du wolltest dich selbst schützen, vor Schmerz. Dachtest, du würdest uns damit schützen und meiner Mutter und uns ein glückliches Leben auf diese Weise schenken. Aber deine Rechnung ging nicht auf. Denn du hast eines dabei aus den Augen verloren: DU bist mein Papa.
Warum mussten erst so viele Jahre vergehen? So viel gemeinsame Zeit haben wir verloren!
Lieber einen Papa, der man nur über Briefe und Anrufe kennt und ca. 2x im Jahr sieht, als gar kein Papa.
Ich bin kein nachtragender Mensch und ich habe im Laufe meines Lebens auch gelernt, dass es nichts bringt. Ich lebe lieber im Hier und Jetzt mit Blick auf die Zukunft. Was bringt es mir, traurig zu sein wegen etwas, das ich nicht mehr ändern kann?
Ist es nicht manchmal sinnvoller, abzuschließen und eine neue Tür zu öffnen? Eine echte neue Chance?
Denn so könnte etwas Wunderbares starten! Ein Leben mit dir! Mit meinem Papa!
Und für Leonie und Ella mit einem weiteren Opa.
Würden wir da nicht alle gewinnen?
So reichte ich dir meine Hand und sagte „Lass uns neu anfangen und vergessen, was war!“
Natürlich ließen wir es langsam anlaufen. Denn ich brauchte für Leonie und Ella etwas Sicherheit. Nicht einen Opa, der dann kurz darauf weg wäre und eine Lücke hinterlassen würde. Aber du gewannst mein Vertrauen und sie lernten dich kennen, ich lernte dich richtig kennen – und auch wenn ich leider noch nicht behaupten kann, dass ich dich gut kenne, das was ich kenne, übertrifft alle Vorstellungen.
Wir lernten uns mehr mehr und mehr kennen und fanden allerhand Gemeinsamkeiten. Mein Puzzle in mir vervollständigt sich. Die Lücke heilt immer mehr. Dich habe ich mittlerweile, nach 3 Jahren, so fest in mein Herz geschlossen.
Jetzt bist du mein Papa. Und genau so spreche ich dich auch mittlerweile an.
Letztes Jahr hatte ich die größte Angst, dich zu verlieren. Nach so kurzer Zeit. Wo ich dich doch gerade erst gefunden habe. Das kann es doch nicht schon gewesen sein? Ich weinte bitterlich. So unfair kann das Leben doch nicht sein!
Es war hart. Denn eines musst du wissen: Da ist längst keine Wut mehr, keine Traurigkeit über Vergangenes – dort ist Liebe, ganz, ganz viel Liebe. Du bist ein wundervoller Mensch. Mir sehr ähnlich. Mit ähnlichen Gedanken und ich fühle mich in deiner Gegenwart einfach wohl und alles ist so vertraut.
Die einzige Traurigkeit, die mich jetzt ab und zu heimsucht, ist der Schmerz darüber, dass du mir so oft hier fehlst. Diese Entfernung: Berlin – Stuttgart. Letztes Jahr konnte ich dich nur im Krankenhaus sehen. Anschließend brauchtest du viele, viele Monate für deine Genesung und erst seit kurzem geht es dir wieder wirklich gut.
Jetzt wäre eines meiner größten Geschenke, dich gesund und munter wieder in die Arme zu schließen und Zeit mit dir zu haben! Denn vor uns liegt eine gemeinsame Zukunft – für dich als Papa und Opa!
Ja, das sind also so zusammengefasst die Gedanken, dir mir durch den Kopf schossen, als Ella nach ihrem „starken Papa“ rief. Meinen Mann. Mit dem alles so anders ist. Für mich ist es das Größte zu wissen, dass er immer für sie da ist – so wie für mich.
Er ist ihr Held – und meiner auch… nicht nur dadurch, aber eben auch deswegen!
6 Kommentare
…da fließen jetzt aber die Tränen…!!! Soooo berührend geschrieben! Danke dafür
Ich wünsche euch alles erdenklich Gute für dieses Jahr (mit neuem Haus, neuem Garten , …hoffentlich gesundem Papa/Opa)!
Startet auch gut in diese Woche!
Liebe Grüße
Katrin
Ganz, ganz lieben Dank!
Ich finde es toll für euch beide, das ihr nicht aufgegeben habt und jetzt zueinander gefunden habt. Manchmal stimmt „besser spät als nie“ tatsächlich!
Viele liebe Grüße und viel Spaß beim Gärtnern und Haus herrichten! Und ja, so ein eigenes Haus mit Garten ist ein Lebensprojekt! Aber ein einfach Tolles! ☺️
Habt einen schönen Abend, VeRena/ „Theifischi“
Ja, da hast du wohl recht! An den Spruch habe ich in diesem Zusammenhang noch gar nicht gedacht 😀
Ganz lieben Dank und viele liebe Grüße,
Jenny
Jetzt muss ich weinen
Kann ich doch deine Gefühle so gut nachvollziehen!
Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass ich alles was mein Mann, dieser wundervolle Ehemann und Vater, sagt, macht, sich verhält, von mir so sehr beobachtet wird und immer wieder kritisch mit eventuellen Ähnlichkeiten zu dem Verhalten meines Papas abgeglichen wird.
Mein Papa war immer ein Teil meines Lebens, leider auch oft ein negativer.
Ich will nicht, dass meine Kinder so etwas erleben und mein (ungewollter) Argwohn ist manchmal für meinen Mann nicht leicht. Umso mehr schicke ich dir eine Umarmung und freue mich, dass ihr so positiv zusammen finden könntet und das es deinem Papa und damit dem neuen Opa wieder gut geht.
Dass ihr so ein ehrliches klärendes Gespräch führen konntet ist ein großes Geschenk und ich freue mich so sehr für euch und vor allem für dich. Als Tochter. Endlich auch mit starken Papa
Ach Mensch, du Liebe! Das wollte ich natürlich nicht!
Ich schaue meistens gar nicht kritisch – ich bin meistens einfach nur so dankbar und voller Liebe. Ich weiß ja nicht, wie mein Vater sich verhalten hätte. Aber in deinem Fall ist das natürlich ganz anders und ich verstehe dich, dass du da so reagierst. Aber dein Mann und dein Vater sind natürlich zwei ganz verschiedene Menschen und du hast ihn an deine Seite gewählt 🙂 Vertrau auf deinen guten Geschmack!
Ganz, ganz lieben Dank für deine so lieben, herzlichen Worte! Ich bin sehr gerührt <3
Liebste Grüße,
Jenny